Lebenszeichen

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Nach dem zweiten Myokardinfarkt lässt sich folgendes feststellen. Bei einer Inzidenz von 300 Fällen pro 100 000 Einwohnern jährlich sollte sich das Thema für mich, zumindest aus einem oberflächlich statistischen Blickwinkel betrachtet, eigentlich erledigt haben. Schließlich schlägt auch der Blitz so gut wie nie in denselben Baum zwei- gar dreimal ein. Schön wär’s schon. Aber wie so oft, humpelt leider auch dieser Vergleich gewaltig.

Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren, womöglich finalen Infarkts, ist nämlich just wegen des geschwächten, weil abermals lädierten Muskels leider – nicht nur statistisch – wahrscheinlicher geworden. Wehrlos ausgeliefert bin ich dieser Perspektive auch als seelischer Hinkefuß gleichwohl nicht.

Es gilt, ungesunde Beziehungen zu Mitmenschen als solche einzuordnen. Das erfordert einen kritischeren Blick auf automatisierte Abläufe im Kontakt mit den „Nächsten“.  Selbstschädigende, beharrlich unreflektierte oder ängstlich gehätschelte (weil vertraute) Verhaltensmuster gehören gleichfalls auf einen rationaleren – oder „eigennützlichen“ Prüfstand.

Zu diesen zählt insbesondere jene unermüdliche, wie hilflose Hoffnung auf einen Funken Empathie, welche mit ebenso ermüdender Beständigkeit an der chronischen Ignoranz, der Wurstigkeit oder achtlosen Gewohnheitsrechts derselben Antagonisten zerschellte. Jene Hoffnung, die nach über einem halben Jahrhundert mangels positiver Perspektive nun doch so herzlos – wie selbstfürsorglich begraben werden muss.

Oder wie’s Bert Brecht geschmeidiger formulierte:

Sieh Deine Ansichten und sieh,
sie sind alt
Erinnere Dich, wie gut sie einst waren
Jetzt betrachte sie nicht mit dem Herzen, sondern kalt
und sage, sie sind alt
Komm mit mir nach Georgia,
dort wirst Du sehen, gibt es neue Ideen.
Und wenn die Ideen wieder alt aussehen,
Dann bleiben wir nicht mehr da

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