Quer – oder vielleicht doch nur ein wenig schräg?

Historische Karikatur zur Pockenschutzimpfung mit Kuhpocken um 1800

Was ist eigentlich gegenwärtig bei den Querdenkern geboten? Auch wenn sich die vorlautesten Schreihälse wohl insgeheim in der Tradition gestandener Freiheitskämpfer sehen mögen, versteht man sich nach eigenem Bekunden doch lediglich als besorgte Bürger. Warum auch nicht? Die meisten kommen ganz gut damit klar, sich selbst niemals infrage zu stellen.

Jedenfalls hat der beherzte Widerstand Vorbilder. Haben sich die militanten Gurtmuffel nicht ähnlich ins Zeug gelegt? Seinerzeit erboste sich Wutbürger gegen die gesetzliche Gängelei, bei einem heftigen Aufprall nicht mehr mit dem eigenen Dickschädel durch die Frontscheibe zu dürfen. Auch schon wieder ein paar Tage her. Anzunehmen, dass sich selbst der renitenteste Verweigerer von damals mittlerweile so selbstverständlich angurtet, wie kein Mensch von Anstand noch in die Gosse scheißt. Nur so am Rande: Man tut auch dem eigenen Seelenfrieden keinen Gefallen, hinter jeder politischen Maßnahme Willkür zu wittern.

Von außen werden die seltsamen Prozessionen häufig als beunruhigend wahrgenommen. Fahren doch bei dergleichen naturgemäß auch solche Trittbrett, die von Freiheit ganz eigene Vorstellungen mitbringen. Schon von daher lassen sich frustrierte Querulanten wie nützliche Idioten in Rundumschlägen immer wieder wohlfeil als potentielle Umstürzler verkaufen.

Nö !

Wie hoch will Politik den nervigen Krakeel denn noch hängen? Nicht anders führen sich doch zweijährige Trotzköpfe auf. Geben auf dem klebrigen Fliesenboden vor der Supermarktkasse brüllend und strampelnd den Brummkreisel, weil Vati aus purer Niedertracht kein Überraschungsei kaufen will. Infantile Ichbezogenheit diktiert Aktion – Konsequenzen überschaubar. Schlimmstenfalls fängt man sich mal einen genervten Klaps ein. Danach brüllt sich’s gleich noch empörter. Und dreckige Klamotten sind dann doch eher Mamis Problem …

Der eine mag die Notwendigkeit annehmen, sich impfen zu lassen – ein anderer seine Gründe haben, es bleiben zu lassen. Wie ein lieber Freund ziemlich zutreffend bemerkte, ist die individuelle Präferenz gleichermaßen eine Wette auf die eigene Gesundheit. Ich habe, weil ich von Beginn an glauben musste, dass eine Immunisierung bei meiner Anamnese ziemlich alternativlos sei, während er bis heute lieber nicht lässt, weil er sich nicht wirklich im Risiko sieht. Eine Wette, wie gesagt. Unserer gegenseitigen Wertschätzung tun die unterschiedlichen Einschätzungen keinerlei Abbruch. Im Gegensatz zu unzähligen Freundschaften, die in den letzten zwei Jahren weltweit an verhärteten Standpunkten zerschellt sind. Nach allem, was man mittlerweile wirklich weiß, mildert eine Impfung die Intensität der Infektion lediglich ab, verhindern kann sie diese keineswegs. Wie ich weiterhin verstanden habe, kannst du andere auch anstecken, wenn du trotz Impfung erkrankst. Das Argument, man schütze seine Mitmenschen durch eine zeitlich verkürzte hohe Viruslast gleichwohl zuverlässiger, will ich gern glauben. Schon weil es mir das wohlige Gefühl verschafft, auch gegenüber meinen Mitmenschen fürsorglich zu handeln – und ich es schlicht nicht besser weiß.

Zur Solidarität zu bewegen, mag in den ersten Monaten der Pandemie keine schlechte Idee – und nach Sachlage durchaus zweckdienlich gewesen sein. Allerdings wird durch die ständige Zuweisung von „sozial und unsozial – Gute und Böse“ die Spaltung der Gesellschaft zunehmend sichtbarer – und zuweilen zum zwischenmenschlichen Drama. Die Aversion der „Wissenden“ gegen die „Schlafschafe“ nimmt zu – wie deren Brass auf die „Aluhüte“ wächst. Wirtschaft und Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren, indem man Krankenstände einzuhegen sucht, ist zweifellos eine vernünftige Zielsetzung. Aber nur, weil wirtschaftliche Argumente nicht so pfiffig an eine beifällige Selbstwahrnehmung appellieren – oder nützlich Schuld zuweisen, kann das moralinsaure Solidargedröhn auch legitim bis in alle Ewigkeit sein. Der heutige Wissensstand sollte immerhin ein paar Zweifel an einer knirschenden Gebetsmühle erlauben. Unverdrossen an der Diskriminierungsschraube zu drehen, könnte auf einen eklatanten Mangel an Moral und Weitsicht hinweisen – mindestens auf anhaltende Konzeptionslosigkeit. Politisch verantwortliches Handeln geht jedenfalls anders.

Die Besorgnisse meines Freundes über die Unwägbarkeiten einer Impfung mit einem, zumindest anfänglich, wenig erprobten Impfstoff kann ich durchaus nachvollziehen. Die Penetranz der Appelle und der wachsende Druck seitens der Politik machen ihn nur misstrauischer. Geht er im Rudel „spazieren,“ um seine Bedenken in die Welt zu plärren? Natürlich nicht. Warum sollte er sich mit krausen Krawallmachern zusammenrotten, mit denen er lediglich gemein hat, sich nicht impfen zu wollen? Was sollte das bringen, außer einem erhöhten Ansteckungsrisiko für sich und seine sozialen Kontakte?

Seit jeher boostern Zwangsmaßnahmen Latrinenparolen. Bei Einführung der Pockenschutzimpfung vor etwa 200 Jahren machte unter Katholiken die Behauptung die Runde, ihnen solle der Protestantismus eingeimpft werden. Viele befürchteten damals gar, sich durch die verimpften Kuhpocken in Rindviecher zu verwandeln. Die Nachfahren dieser Rindvie Heute glauben Hysteriker eben, man wolle ihnen Mikrochips verpflanzen, um staatlichen Zugang und Kontrolle über ihre überaus wertvolle Gedankenwelt zu erzwingen. Auch Verschwörungserzählungen müssen schon auf der Höhe der Zeit sein, um ernstgenommen zu werden. Bis auf den unausrottbaren Generalverdacht gegen Juden. Bei dieser Fama sind sich noch immer alle verstörend einig. Selbst die vermeintlich politisch Korrekten. Die ihren beiläufigen Antisemitismus allerdings gerne in listige Worthüllen verpacken.

Sind überhaupt schon welche an den Folgen der Impfung gestorben? Schätzungen sprechen von etwa achtzig „Impftoten“ in Deutschland. Auch da wird’s naturgemäß eine Dunkelziffer geben. Lass alles in einem moderaten fünfstelligen Bereich weltweit sein. Natürlich ohne Gewähr. Mangels einheitlicher Zählweisen stocher ich auch diesbezüglich nur reichlich planlos rum. In Statistiken von tatsächlichen Todesfällen, begründeten und unbewiesenen Verdachtsfällen, bestätigten und unbestätigten Todes- und Verdachtsfällen, in angenommenen und … wie auch immer.

Zweifellos bergen Impfungen gesundheitliche Risiken – wie jeder medizinische Eingriff. Zur Wahrheit gehört durchaus, dass Folgeschäden von offizieller Seite bisher beschwichtigend – bis gar nicht – kommuniziert werden. Womöglich ist das Narrativ: „die Impfung ist sicher“ einfach bequemer, als den Bürger für voll zu nehmen und die ganze Geschichte zu erzählen. Wer Menschen immer wieder für dumm verkaufen will, braucht sich nicht zu wundern, wenn sie einem irgendwann dumm kommen. Welche Automechanikerin, welcher Gerüstbauer wäre in der Lage, das eigene gesundheitliche Risiko als „Versuchskaninchen“ eines neuartigen Impfstoffs einigermaßen objektiv bewerten zu können? Ich kann es jedenfalls nicht.

Was Mensch nicht versteht, kann Angst machen. Und was er glaubt, verstanden zu haben, ängstigt womöglich noch mehr. Bei einem Impfgesetz geht’s, der Name sagt’s, nicht mal eben um die Erhöhung der Bratwurststeuer. Ängste Anderer verächtlich machen zu wollen, ist die denkbar erbärmlichste Art, damit umzugehen. Weil es einiges über eigene emotionale Intelligenz aussagt und ’ne Menge Wut unter diesen Ängsten brodeln könnte. Wer bis heute entschlossen ist, sich keinesfalls impfen zu lassen, wird sich auch durch ein Gesetz kaum überzeugen lassen. Nicht mal durch ein Betretungsverb einen Euphemismus für ein faktisches Berufsverbot. Nicht jeder kriecht zu Kreuze, wenn man ihn nur nachdrücklich genug bei den Klöten am Geldbeutel packt, Genosse Kretschmann.

Was wollt ihr denn so beschließen, wenn Impfverweigerer ihre Bußgelder nicht bezahlen (können)? Erzwingungshaft, wie bei Schwarzfahrern?  Ins Kittchen, weil ein Mensch panische Angst vor einem fremdbestimmten Eingriff in die eigene Gesundheit hat? Wie lange würde das wohl gut gehen? Vergeigt habt’s doch ihr. Beschäftigt euch lieber mit der eigenen Karriere und Pöstchengeschacher. Betreibt eitle Imagepflege, anstatt die gestellten Aufgaben professionell anzugehen. Tut einmal mehr, als sei auch diese Pandemie eine ganz unerwartete Blaupause. Anstatt Fehler aus der Historie zu vermeiden, die richtigen Schlüsse zu ziehen und angemessen zu reagieren, quaken wir uns gerade ganz wichtig durch die vierte Welle. Nur manchmal ist es halt einfach total an den Prioritäten vorbei, sich selbst oder gegenseitig versonnen am Zipfel zu spielen.

Und du? Sieh’s doch mal nüchtern: Verzichtest du auf die Impfung, besteht immerhin eine recht ordentliche Wahrscheinlichkeit, dass dich das Virus verschont oder nur relativ spurlos streift. Für einen gesunden jungen Menschen womöglich eine aussichtsreiche Wette. Andererseits könnte eine Infektion langwierige – oder chronifizierte – gesundheitliche Einschränkungen bedeuten – oder, im krassesten Szenario, den ziemlich unerfreulichen Erstickungstod. Da reden wir immerhin bereits über fünfeinhalb Millionen Schicksalsgenossen weltweit – bis heute. Gehörst du zu diesen Auserwählten, macht das statistisch einen eher vernachlässigbaren Unterschied – deiner persönlichen Zukunftsplanung käme ein vorzeitiger Abgang mindestens ziemlich ungelegen. Oder, um im Bild zu bleiben: Game over – Wette verloren.

Viele Menschen zocken eben gern, manchem können die Einsätze gar nicht hoch genug sein. Sollte es nicht trotzdem jedem selbst überlassen bleiben, den Wert des eigenen Lebens einzuordnen? Die Lust am gängeln zieht sich heute durch alle Lebensbereiche. Jeder weiß alles besser. Zusammengesuchte Klugscheißerei vor Argumenten, Vorurteile statt Toleranz. Pampigkeit gegen Geduld. Sieht so aus, als hätten Millionen Bundestrainer umgeschult und seien vorübergehend lieber als Virologen unterwegs. Allmorgendlich warten Hinz und Kunz mit aufregenden Erkenntnissen von „in zwei Monaten hat sich Omikron von alleine totgelaufen“  – über „Covid is nur ne weitere Unterdrückungsmasche“ bis zur „Totalen Kontrolle durch Echsenmenschen wie Gates oder Soros“ auf. Aufgeschnappt aus einem Brennpunkt nach der Tagesschau, den Dampfplaudereien bei Maischberger, Illner oder Lanz, oder exklusive Einsichten in Dr. Schwurbels YouTube-Kanal und einer globalen Expertenrunde bei Telegram – je nach persönlicher Präferenz. An diesem Wust an Spekulation und Interpretation klaubt jeder raus, was ihm passt und befestigt seine Meinungsbastion. Verschanzt sich in seiner Vorgefasstheit immer weiter in ideologischen Redouten, die aus menschlicher Angst oder Wut herrühren. Einzig die treuherzige Frau Bimmerle aus der Revision irrt einmal mehr verwirrt zwischen den Schanzgräben umher, vermag sich an nichts festzuhalten und kennt nur zufällig eine, die einen kennt, der neulich die Flöhe husten gehört hat. Davon erzählt sie gern. Die raffts in diesem Leben auch nicht mehr.

Ist zwar ganz symphatisch, aber mangels eigener fachlicher Kompetenz setze ich selbst dann doch lieber auf Profis. Halte für pragmatisch genug, der Mehrzahl der Wissenschaftler, also den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zu folgen und nicht ein paar Allwissenden, die erzählen, was meine Allwissensfantasien befeuert. Ist ein bisschen wie bei der Mär von einer gefakten Mondlandung. Wer soll all die „Mitverschwörer“ – mir welchen Mitteln – über ein halbes Jahrhundert bei der Stange gehalten haben? Mit Geld? Lächerlich. Geh eine Sekunde in dich. Könntest du als Beteiligter beweisbares Wissen um eine solche Ungeheuerlichkeit jahrzehntelang bei dir behalten? Die meisten tratschen doch schon am nächsten Tag zwanghaft jede Schlüpfrigkeit weiter, die ihnen ein Kollege beim Feierabendbier anvertraut hat.

Und wie isses eigentlich um die eigene Integrität bestellt, wenn man seinen Mitmenschen zwanghaft Käuflichkeit unterstellen muss? Auch mögen Bauchgefühle in ganz vielen Lebenslagen durchaus Sinn machen, aber frag nicht, wie viele schon in Bett und Buxe geschissen haben, weil sie das Rumpeln im Ranzen oder einen unklaren Status vor der Warenausgabe missinterpretierten. Und in der festen Überzeugung, lediglich ein warmes Windchen abzulassen, eine sehr persönliche Katastrophe im körperwarmen Nest, wahlweise in einer Fußgängerzone, auslösten. Und wieviel Sinn macht es, „Experten“ hinterherzulaufen, die ihr eigenes Süppchen kochen? Die ihre aktuellsten Corona-Schmöker, knackvoll mit Scheinlogik und konspirativem Herrschaftswissen, vermarkten wollen. Deren Ego ihnen befiehlt, eine exklusive Expertenmeinung zu verbreiten. Und Wutnickel im eigenen Schaum kreiseln zu sehen, kann mitunter auch recht kurzweilig sein.

Aus – vorläufig nicht mehr als – quengeligen Impfappellen und ein paar persönlichen Einschränkungen einen Angriff auf die demokratische Grundordnung ableiten zu wollen, ist schon ein bisschen paranoid. Die Freiheit der Gesellschaft ist tatsächlich noch nicht in Gefahr, weil du dein Ü-Ei mal nicht kriegst. Das ständige Gepienz über die persönliche Opferrolle in der x-ten Verschwörungstheorie nervt einfach nur noch. Vielleicht arbeitest du zur Abwechslung mal an deiner Selbstwahrnehmung. Derart relevant bist weder Du, noch ich – noch unsere individuellen Wertmaßstäbe. Wenn die Gesellschaft ihrer Verpflichtung tatsächlich nachkommt, auch und insbesondere die Vulnerabelsten schützen zu wollen, kommt es nun mal ziemlich asozial, Bambule dagegen zu machen. Wobei man immer wieder hören muss, dass gerade Oma und Opa schon mal auf einen gemütlichen Fernsehabend mit Helene und Florian verzichten, um bei Wind und Wetter für die Enkelchen die Freih…. .

Wieviel mag in der eigenen Kindheit schiefgelaufen sein, wenn man zur Durchsetzung politischer Zielsetzungen seinen Nachwuchs instrumentalisieren muss? Mit ganz viel Mimimi auf „Staatsbüttel“ und „Nazischergen“ zeigt, weil eine Vierjährige eine verwehte Ladung Reizgas abgekriegt hat? Schleppt man Kleinkinder vielleicht sogar in der Zuversicht auf solche Bilder zu Aufmärschen mit, auf denen es immer wieder zu Gewalt kommt? Auch Unbeteiligten ihre Masken runterzureißen, den Menschen dahinter gar anzuhusten, lässt eher eine erschreckend rudimentäre soziale Kompetenz vermuten, als ein systematisches Vorgehen mit dem Ziel, die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Ich kenne nicht einen, der die gegenwärtige Situation besonders prickelnd findet. Gleichwohl ertragen die meisten selbst den schmerzlichen Mangel an Nähe einigermaßen geduldig – vielleicht, weil sie die erforderliche Empathie und Menschenliebe selbstverständlich mitbringen.

Lasst euch halt nicht impfen, wenn euch diese ganze Covidgeschichte suspekt ist. Genießt euer elitäres Insiderwissen, zieht euer Selbstwertgefühl auch gern an der Engstirnigkeit der Systemlinge hoch. Solange ihr euch dabei an die Spielregeln eines rücksichtsvollen Miteinander haltet, ist das eure Party. Aber erspart den Mitmenschen doch diesen kümmerlichen Gefangenenchor. Ihr seid nicht das Volk und repräsentiert es auch nicht. Null! Warum könnt ihr nicht begreifen, dass es zu mehr als frustrierter Randgruppe nie reichen wird? Vor allem! Beschwert nicht auch noch das Gewissen von chronisch überlasteten Ärzten und Pflegepersonal mit der bitteren Entscheidung einer Triage, wenn ihr euch auf einem dieser Spaziergänge unter Gleichgesinnten ansteckt. Zeigt soziales Gewissen, wenn euch euer Geschick womöglich auf die ganz harte Tour belehrt. Beweist da Haltung, wo es wirklich was bedeutet. Tretet spätestens dann bescheiden weg, anstatt wieder nur weinerlich eine Extrawurst für euch zu reklamieren. Und wer am rechten Rand mitmarschiert  spazieren geht, braucht sich doch nicht zu beklagen, für faschistoid gehalten zu werden. Ist die gleiche Geschichte wie mit den Kötern, dem Bett und den Flöhen.

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