Das Tier als Pläsier

Erinnerlich habe ich als Erwachsener lediglich einmal einen Zoo (von Weltgeltung) besucht und war einfach nur entsetzt. Ich habe auch nicht mehr die Spur einer Ahnung, was ich mir dabei dachte, vielleicht wollte ich meiner kleinen Tochter einfach eine unbedachte Freude machen. Ganz unerwartet drang an jenem Sommertag eine Art boshaft orchestrierter Weltgestank auf uns ein. Penetrant und schamlos. Als ob Savanne und Prärie nach nichts als Brunft und Scheiße stänken. In dieser Kulisse miefte selbst Spitzbergen verheerender als Tippelbruder im Schritt. Ich musste an Rilkes trauriges Gedicht vom eingesperrten Panther denken. Vor allem wurde es verdammt substanziell.

Befürworter der Zootierhaltung führen immer wieder treuherzig ins Feld, dass eingesperrte Tiere immerhin ausgewogenen Futters und ärztlicher Betreuung sicher sein können. Neue Wildfänge werden mit dem Argument gerechtfertigt, Inzucht zu vermeiden und aussterbende Wildtiere vor Wilderei zu schützen. Nö !!!
Wildtierhaltung wird nie was anderes als Tierquälerei sein.

Glaubt auch nur ein halbwegs gesunder Tierfreund, Gazelle oder Elefant zögen es vor, sich in nachgemodelten Naturräumen von 20 oder 30 Ar von gesottenen Gaffern beglotzen zu lassen, statt mit allen Risiken leben zu dürfen, wie es die Natur für ihre Art vorsieht? Was genau bringen einem eingesperrten Panda glückliche Kinderaugen? Wozu braucht es in Zeiten von 4k TV noch immer Tierschauen, wenn man Wildtieren in liebevoll gemachten Dokumentationen über ihre eigenen Habitate so nahe kommen kann? Sind Investitionen in geschützte Nationalparks nicht ungleich zielführender, als das Festhalten an einer kolonialistischen Unart?

Tatsächlich geht es auch nicht die Bohne um Artenschutz, sondern um menschliche Zerstreuung. Um Millionensubventionen, möglichst viele zahlende Besucher und ein paar tausend, mehr oder minder einträgliche, Jobs. Seit jeher ist Mensch der festen Überzeugung, beliebig über alle anderen Lebewesen verfügen zu dürfen. Als Haustiere, Nutztiere, Trophäenlieferanten und solche zum Bestaunen. Verwertungspotential praktisch unendlich – und diese Ausbeutungsroutine wird mehrheitlich noch immer kaum hinterfragt. So können sich deren Profiteure weiterhin zu Dreistigkeiten wie jene versteigen, Tiergärten seien wunderbare Archen der Neuzeit.

Ein Polarbär pfeift aber nun mal auf Gesellschaft. Diese Prädatoren haben so gar keinen Spaß dran, bei 30 Grad mit Homies unter schattigen Bäumen abzuhängen. Vielmehr sehen männliche Eisbären Ihren Lebenszweck eher darin, wochenlang und mutterseelenallein in Eiswüsten Strecke zu machen und sich höchstens mal mit ’ner läufigen Eisbärin für ’ne schnelle Nummer zusammenzutun. Wenn diese Gehege überhaupt je ernsthaft als Archen gedacht waren, hat man eine artgerechte Umsetzung für die meisten Tierarten jedenfalls gründlich vergeigt. Und wer Beton weiß anpinselt, um eine Winterlandschaft vorzugaukeln, ist wahrhaftig ein Fall für die Geschlossene. Projektionsflächen und Publikumsmagneten wie der unglückselig knuffige Kuschelbär Knut verhelfen ihren Tierknästen zu Prestige und sprudelnden Einnahmen für Vermarktung und Merchandising. Das ist schon das Ganze.

Der damalige Bundesumweltminister Gabriel, der selbst unter Seinesgleichen berüchtigt dafür war, den Ministerschwelles zwanghaft vor jede erreichbare Kamera schieben zu müssen, konnte prompt nicht widerstehen und nutzte das allgemeine Entzücken für eine Charmeoffensive in eigener Sache. Immerhin löste seinerzeit jeder Eisbärfurz ein mittleres Medienbeben aus und wurde volksgemeinschaftlich mit ganz viel Glücklichsein goutiert.

Der Knut-Hype bot endlich die angemessene Plattform, das eigene Banalitätspotenzial voll auszuschöpfen. Gabriel konnte sich unmöglich entgehen lassen, das kleine Kerlchen vor fünfhundert angereisten Journalisten und einer weltweiten Bärenfangemeinde persönlich zu präsentieren. Schmerpetzi und sein Knuddelbärchen – unvergessliche Bilder für die Ewigkeit. Der Herr Minister greift recht tief in seine Phrasenkiste, diktiert einen klebrigen Schmus von dräuendem Klimawandel und Königen der Kälte in die Hundertschaft der bereitgestellten Mikrofone – hoffnungslos kitschvernarrt und sichtlich blind für jene aberwitzige Wildtierwohlfühloase. Versichert Knut immerwährenden ministeriellen Beistands und einer lebenslänglichen Patenschaft. Bläht wie von ungefähr die eigene Eminenz an großen Plänen seines Ministeriums. Mit Knut als Naturbotschafter undsoweiter. Durchaus vorstellbar, dass das ministerliche Freßzentrum währenddessen pausenlos Eisbärtatzenrezepte funkte.

Beim Fototermin mit dem Fellmoppel plusterte sich der Blob dann derart, dass einem tatsächlich angst und bang werden konnte. Und inständig hoffte, er möge nicht ausgerechnet in diesem Moment vor Stolz über seine just entdeckte Tierliebe platzen. Unter hundertvierzig Kilo ministerialem Schmodder begraben zu werden, wäre sicher auch für einen neugierigen kleinen Eisbären kein Spaß gewesen. Alles ging gut, aber besser wurde nie was. Außer instinktfreier Rhetorik und einer anbiedernden Symbolpolitik hat diese Nervensäge auch späterhin nicht viel gekonnt.

Mit dieser affektiven Eisbärbabyhysterie haben einige ihren Schnitt gemacht. Nur unser Knastbruder Knut war angeschissen. Hatte zeitlebens nichts von seiner frühen Rolle als Kindchenschema einer ganzen Nation. Durfte sich nie nach Lust und Laune in seinem natürlichen Element wälzen, oder eine verträumte Robbe nach Eisbärenart zerfetzen. Ahnte nicht mal was von endlos einsamen Märschen und anderen Freuden der Freiheit. Lebenslänglich währte für ihn gerade mal vier Jahre und ein paar Monate. Jahre nach seinem schimpflichen Ableben wurde in seinem Hirngewebe der Erreger einer Form von Enzephalitis identifiziert, die bis dahin nur bei Menschen bekannt war. Das Leben kann verdammt süffisant sein.

Eines Märztages hatte der halbstarke Knut jäh die Eisbäraugen verdreht und war vor seinem entsetzten Publikum in den betonierten Wassergraben gekippt. Dümpelte noch eine kleine Weile wie unentschlossen zwischen ein paar kleinen Wellen, kieloben und zwischen Paralyse und Tod, bevor er hilflos auf Grund ging und ertrank. Dieses Trauma hätte der undankbare Fellsack seinen kleinen Besuchern nun wirklich ersparen können. Und weil auch Selbstverstümmelung, Stereotypien und trübsinnige Zootiere ganz schlecht fürs Geschäft sind, werden Macken gern präventiv mit Psychopharmaka weggeballert. Kein Mensch will eine Menagerie der abgekauten Gliedmaßen besichtigen. Stellt sich angesichts dessen nicht zwangsläufig die Frage, was ein dauersedierter Panther mit seinem wildlebenden Pendant noch gemein hat, als die Anmutung einer Raubkatze?

War es überhaupt jemals legitim, majestätische Kreaturen ihres Willens, ihrer Lebensweise und natürlichen Instinkte zu entwöhnen, um deren Popanze in unsere Schaufenster stellen zu können?

zur Galerie

Hinterlasse einen Kommentar