Leben ist nun mal lebensgefährlich

An Tagen wie Heiligabend greift die Verzweiflung besonders gern nach uns Schwermütern. Macht uns noch eher glauben als sonst, das Leben habe uns um dies oder das beschissen. Obwohl wir ihm so verdammt viel gegeben haben – womöglich sogar ein bisschen mehr. Wo andere ausgelassen feiern, friert es dich immer nur. Dabei ist dein schütteres Selbstwertgefühl vielleicht nur an einer einzigen versemmelten Utopie zerschellt und in tausend Stücke zersprungen. Von der du freilich noch nicht mal ahnen kannst, ob dir ihre Erfüllung langfristig Lust oder Leid beschert hätte.

Wo Gefühle überschwappen, kriegt der Verstand schnell nasse Füße. So versauern wir lieber im Selbstmitleid, als auch der heftigsten Kränkung heilen zu helfen. Statt die verschorfte Verletzung als Erfahrung abzuhaken, den Groll unter Alltäglichkeit ruhen zu lassen, wird aufgerührt. Nun hat selbst manche Frohnatur den unseligen Hang, überzubewerten, was ihr das Schicksal vorenthält oder nimmt. Wie sie ohne weiteres geringschätzt, oder für selbstverständlich hält, was es ihr schenkt und bewahrt. Freigiebig – sicher. Aber subjektiv natürlich nie wirklich angemessen.

Bei hartgesottenen Trauerklößen kann nicht einmal die Zeit diese hellrote Wunde im eigenen Leben schließen. Die mit dem stetig simmerndem Seelenschmerz immer auch jene weinerlich-wohlige Selbstgerechtigkeit aussuppt. Immer und wieder lassen sie sich – scheinbar wehrlos – an rostigen Ketten durch gefühlig vergrämte Momentaufnahmen schleifen. Statt sich darauf zu besinnen, wie erfrischend es sein kann, jeden Tag ein bisschen Prinzessin zu spielen.

Mancher mag im Glauben abtreten, ihm sei eben bestimmt gewesen, die meiste Zeit durch die Niederungen der eigenen Seele zu kriechen, als auch mal zu Potte zu kommen. Indes führen Selbstgeißelung und Nihilismus niemals zu Gedeihlichem. Sie verkleiden die Scheinmoral nicht mal gut.

Womöglich böten sich gerade solche Tage als Einstieg in einen persönlichen Paradigmenwechsel an. Das Momentum, sich von überkommenen Fixierungen zu trennen. Von Schonhaltung und Lebensvermeidung zu lassen. Geschenke zu schätzen und anzunehmen, sich vielleicht sogar aufrichtig drüber freuen. Aufrecht Karussell zu fahren. Selbstgenügsam und ohne jede Bitterkeit, den Blick zuversichtlich nach vorn. Wie vordem. Als Kind.

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