Vor etwa vier Jahren habe ich meine Gedanken zum Rassismus aufgeschrieben. Aus gegebenem Anlass möchte ich diese noch einmal auszugsweise in meinem Blog veröffentlichen. Denn wieder einmal ringt Politik um Fassung, als kämen auch diese Jubelfeiern in Neukölln und ähnlichen Brennpunkten aus dem Nichts. Angesichts solcher Bilder fragt sich doch gesunder Anstand unwillkürlich, wie bewunderungswürdig Freiheitskämpfer sein können, die Raketenbasen unter Wohnhäusern ihrer eigenen Familien aufstellen?
Wie sehr muss eine Ideologie von Kalkül und Menschenhass zerfressen sein, die militärische Infrastruktur unter Krankenhäusern oder Schulen plant? Die es vorzieht, die eigene Heimat hallenhoch und kilometerweit zu untertunneln, statt Abermillionen Euro humanitärer Hilfe des Palästinenserhilfswerks für ein lebenswerteres Leben ihrer oft bitterarmen Menschen auszugeben? Nicht sehr verwunderlich, wenn man gelernt hat, dass UNRWA-Mitarbeiter nicht eben selten gleichzeitig der Hamas angehören. Der richtige Mann denkt nun mal an sich zuerst. Mehr als die Hälfte aller Palästinenser im extrem dichtbesiedelten Gazastreifen sind mangels eigener Ressourcen gar nicht in der Lage, sich wirtschaftlich selbst fortzubringen.
Was soll denn so heldenhaft daran sein, sich hinter Kopftüchern und Kindern zu verkriechen, um die Wut der islamischen Welt gegen jene zu schüren, die Terroristenverstecke und Abschussrampen zum Selbstschutz ausschalten müssen? Und dass Bibi nicht gern Gefangene macht, ist doch kein Geheimnis. Die Leben von Frauen und Kindern sind einem Nethanjahu vermutlich ebenso wurscht wie der Hamas. Zudem kämpft der zionistische Hardliner seit Jahrzehnten mit allen Mitteln um seine politische Immunität und gegen den drohenden Knast. Ich würde nichts dagegen wetten, dass ihm dieser Überfall womöglich ganz gelegen kam – ohne mich am üblichen Geraune beteiligen zu wollen. Seine nationalen und ultrareligiösen Koalitionspartner werden ihn jedenfalls jetzt noch mehr vor sich her treiben. Zweifellos hat die Hamas all diese Parameter kalkuliert. Es war zu erwarten, dass israelische Bodentruppen erstmal nicht in dieses Gassengewirr reingehen, um möglichst ausschließlich Hamaskämpfer zu eliminieren. Welcher Militärstratege würde seine eigenen Truppen in einem reinen Häuserkampf auf gegnerischem Territorium verheizen?
Feiglinge fordern besonders gern Fingerspitzengefühl von denen ein, die sie selbst mit Schlagringen und Nagelschuhen traktieren. Gehört doch Wehleidigkeit zur Grundausstattung dieser Spezies. Eines sollte man sich immer wieder klarmachen: Die Hamas sucht keine Koexistenz, sie ist einzig auf die vollständige Auslöschung Israels und seiner Menschen aus. Und es ist dieses, allein auf unbewaffnete Zivilisten abzielende Pogrom, das der Logik der israelischen Regierung eine Reaktion nachgerade aufzwingt. Wer wollte angesichts einer solchen Teufelei entscheiden, welche Antwort angemessen ist? Der Mossad wäre logistisch zweifellos in der Lage, die Kommandoebene in ihren (vermeintlich) sicheren und sicherlich komfortablen Exilen einigermaßen „chirurgisch zu neutralisieren“. Bekanntlich gab der israelische Geheimdienst schon in der Vergangenheit immer wieder einen Dreck auf die ungeschriebene Herrscherregel, ausschließlich Erfüllungsgehilfen und Subalterne aufeinander zu hetzen, während man Seinesgleichen davonkommen lässt. Wenn man schon glaubt, aus Staatsräson alttestamentarisch abrechnen zu müssen, ist eine solch gezielte Enthauptung sicherlich die weniger unanständige Wahl der Mittel.
Eine umfassendere Vergeltung kann ohne tausende Opfer nicht abgehen. Selbst ein (noch so) gezieltes Bombardement muss zwangsläufig auch jene töten und verletzen, die gezwungen zu leben sind, wo immer sich diese Bestien verkriechen. Gerechtigkeit wird auch auf diese Weise jedenfalls niemandem widerfahren. Fatal, wenn man als palästinensisches Kind angesichts einer vorhersehbar knüppelharten israelischen Reaktion auf Maulhelden und Menschenverächter als „Beschützer“ angewiesen ist.
Die Hamas wird wohl jede Reaktion überstehen. Eine Geisteshaltung kannst du so wenig plattmachen wie eine Hydra – auf jeden abgeschlagenen Kopf wachsen bekanntlich zwei neue nach. Die Anführer dieser Bande nehmen die Toten und Verletzten ihrer eigenen Bevölkerung nicht nur regelmäßig in Kauf. Vielmehr dienen sie ihrer einträglichen Erzählung vom gewollten Genozid am palästinensischen Volk. Man hebt berechnend das Beinchen, um den genervten Tritt empört zu instrumentalisieren. Das Prinzip kannst du auf jedem Schulhof beobachten.
Apropos Schule. Palästinensische Schulbücher vermitteln den Kindern eine gänzlich andere Geschichte als die, die mitleidheischend dem Westen verkauft wird. So kann es kaum verwundern, dass Berufswunsch vieler Jungen im Gazastreifen tatsächlich Märtyrer ist, mindestens aber Gotteskrieger. Die Waffenausbildung beginnt häufig schon im Kindesalter. Auch Terroristen sind schließlich eine nachwachsende Ressource, wenn man den Nachwuchs beizeiten abrichtet. Die Begriffsstutzigen kann man immer noch mit einem Sprengstoffgürtel losschicken.
Was für palästinensische Menschen seit der Nakba entsetzliches Leid bedeutet, nutzt dem Geschäftsmodell Hamas. Das schlechte Weltgewissen und eine damit einhergehende Hilfsbereitschaft sind kalkulierbare Konstanten. Wer will die Geldflüsse nachvollziehen, wer die Wege der Hilfsgüter und Lebensmittel, wenn deren Verteilung der Willkür einer einzigen Organisation unterliegt? Und wenn schon. Schließlich gehört das Opfernarrativ so fundamental zur islamistischen Märchenwelt, wie der alberne Märtyrerkult. Ein selbstgefällig zur Schau getragener Glaube gibt nicht nur vor, Berge zu versetzen, er vernebelt vor allem die verbindende Seelenödnis ganz vorzüglich. Darin nehmen sich Dschihadisten, Kreuzfahrer und Conquistadoren gar nichts. Ein verschlissenes Bezugssystem aus Absolutheitsanspruch, bedeutungsvollen Ritualen, haltlosen Versprechungen und eine abstruse Gedankenwelt genügt offensichtlich auch im dritten Jahrtausend locker, für seine diesseitigen Exzesse eine fette Belohnung in einem fantasierten Jenseits zu beanspruchen. Stellt sich da nicht die Frage, was dem Anständigen an einem Himmel gelegen sein könnte, in dem solchen Kores ein Logenplatz auf Gottes Schoß erwartet?
Am 7. Oktober 2023 konnte eine vernetzte Menschheit verfolgen, wie derlei Heldenstücke selbsternannter Gotteskrieger ablaufen. Da war nichts geschickt geschnitten oder tendenziös aufbereitet, auch kam keine KI zum Einsatz. Die sichtlich stolzen Streiter filmten ihre eigene Bestialität mit Bodycams. Nicht wenige hatten sich für ihren Ehrentag aufgemaschelt wie Turtle Ninjas. Blökten und juchzten den Namen ihres Allmächtigen, während sie in den frühen Morgenstunden schlaftrunkene jüdische Siedler und feiernde Raver überfielen, vergewaltigten und abschlachteten. Einge übertrugen das Gemetzel live in soziale Netzwerke. So erhielten zahlreiche Bewohner aus dem nahen Gaza zeitnah Gelegenheit, die bereits geschändeten und verstümmelten Leichen auf dem Festivalgelände nochmal nach Wertsachen zu fleddern.
Eigentlich unvorstellbar, dass sich irgendwer als Fanboy- oder girl solcher Sadisten outen möchte. Eigentlich. Schau dir die Freudentänze an, sieh in die Gesichter der Glücksbesoffenen, hör bei ihrem Triumphgeheul hin. Was diesen Affentanz antreibt, sind nichts als Schadenfreude und Hassbefriedigung. Wer solche Menschenverachtung nimmermüde zu unreifen Ausrutschern verharmlost, hat mindestens von den Mechanismen der Manipulation gar nichts begriffen. Im Krakeel dieser Fanatiker beweist sich abermals die Gesinnung einer Gesellschaft, deren Einpeitscher ein vitales Interesse daran haben, bereits die Jüngsten in einen Käfig kompromissloser Glaubenshörigkeit zu zwingen. Die diesen das erwünschte Herrenmenschendenken vom Kleinkindalter an eintrichtert. Wodurch sich insbesondere bei den Einfältigeren der Glaube an einen Minderwert aller „Ungläubigen“ – und unversöhnlicherJudenhass – fast zwangsläufig festsetzen muss. Bevor du das nächste mal zur unreflektierten Verständnishaberei für solche Schreihälse ansetzt, geh in dich: Hast du auf Europas Straßen je auch nur einen einzigen Zionisten feiern sehen, weil Palästinenser sterben?
Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk und Anteilnahme, insbesondere mit den ausgesetzen Opfern im Gazastreifen, sind das eine. Welcher empfindende Mensch wird angesichts deren Leids nicht weniger mit diesen Wehrlosen fühlen? Ich begreife nur nicht, was es da aufzurechnen gibt? Was Täter, Bewunderer und all jene willfährigen Relativierer und Bilanzierer verbindet, die ihre scheinheilige Menschlichkeit gern mit einem mechanischen „Aber“ demaskieren und pervertieren, marschiert durchaus geschlossen in die gleiche Richtung. Schon im Verständnis für solche Scharfmacher offenbart sich eine trostlos ethische Leere, die im Grunde auch nur zur mitleidlosem Instumentalisierung aller Leidtragenden beizutragen hat. Anstatt endlich die rottigen Elfenbeintürme zu schleifen – oder wenigstens ab und zu mal die vorlaute Bessermenschenfresse zu halten, hagelt es einmal mehr kritiklose Solidaritätsbekundungen von durchgeschmorten Kleinbürgern. Die ihr vorgebliches Linkssein in erster Linie pflegen, um es bei solchen Gelegenheiten wie eine Toleranzmonstranz vor sich hertragen zu dürfen. Ist denn so schwer zu kapieren, dass bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit jede Gegenrechnung zum blanken Zynismus verkommen muss – gleichgültig, welcher Herkunft Täter oder Opfer sind?
Die Häme angesichts gezielt abgeschlachteter, geschändeter und verschleppter Menschen macht mich unendlich traurig. Und stinkesauer. Weil viele dieser tanzenden Schreihälse selbst auf die Humanität anderer angewiesen sind – diese als selbstverständlich voraussetzen – und voraussetzen können.
Immerhin herrscht im Bundestag, zumindest im ersten Entsetzen, seltene Einmütigkeit in der Verurteilung des Massakers. Angesichts dieser Geschlossenheit sind alle Parteien gefragt, womöglich auch grundgesetzliche Änderungen zügig in Angriff zu nehmen. Einen Rechtsrahmen zu schaffen, der es Gerichten ermöglicht, Rassismus und Antisemitismus künftig exemplarisch zu bestrafen, statt menschenfeindlichste Positionen mit Hinweis auf mangelnde Handhabe auch weiterhin bedauernd durchzuwinken. Die derzeitige Regierung sollte die Chance dieses breiten Konsenses nutzen, bevor die Blauen auch aus diesem Thema wieder einmal Kapital schinden. Ich bin allerdings nicht sehr zuversichtlich, dass sich im Bundestag außer ’ner Menge heißer Luft diesmal etwas bewegt. Die Ränder werden, schon ihrer Basis zuliebe, als erste lavieren und relativieren. Man wird sehen.
Hier der Auszug aus 2019:
Jüdische Mitbürger denken angesichts einer unrund eiernden Willkommenskultur ernsthaft darüber nach, endgültig aus Europa auszuwandern. Wäre ich seit Jahrhunderten latentes Feindbild für die ganze unheilige Bagage, würde ich allerdings auch sehen, dass ich Land gewänne, bevor die Scheiterhaufen wieder lodern. Wer freilich ausschließlich den bekannt rechten Judenhass anprangert, überhört die Schüsse aus anderen Ecken womöglich vorsätzlich.
Judenfeindliche Tiraden und antisemitische Narrative nehmen nicht nur bei Al-Quds Märschen Fahrt auf. Die Täter-Opfer-Umkehr läuft im postfaktischen Zeitalter besser als je. Beim Krieg der Bilder sind momentan die Gotteskrieger vorn. Da werden aus israelischen Kindern Unmenschen und aus Kinderschlächtern heldenhafte Befreiungskämpfer. Natürlich sind auch die autonomen Psychobratzen nie weit, wenn platte Hetze und Randale angesagt sind. Dazu passt dieser Kalauer: Wie bringt man einen Linken dazu, freiwillig rechte Parolen zu gröhlen? Man lässt ihn auf einer Palästinenserdemo mitlaufen.
Da ist, dank völkerübergreifender Wahnvorstellungen, längst zusammengewachsen, was zusammen gehört. Gemeinsame Feindbilder scheinen überhaupt erstklassige Integrationsbeschleuniger, möchte man höhnisch anzufügen. Obwohl bei diesen Deutsch-Arabischen Idiotentreffen immer ungenierter Vernichtungsphantasien skandiert werden, belässt es Politik weitgehend bei Maßhalteappellen und Standpauken. Menschenhassern schleudern wir trotzig die teutonischste aller neuen Volkstugenden entgegen, unsere unbeugsame Toleranz. Betulichkeit und Geduld werden früher oder später noch jeden Fundamentalisten weichkochen.
Echt jetzt? Was stimmt nicht mit uns? Kapitale Lernresistenz? Barmherzige Amnesie? Blanke Idiotie? Weshalb reagiert der Rechtsstaat ausgerechnet beim Schutz der jüdischen Minderheit immer wieder zu fahrlässig? Einer Minderheit, die dieses Schutzes in unserem Land schon traditionell konsequenter bedarf, als jede andere. Sind Exekutive und Judikative bereits gar nicht mehr in der Lage, Rechtsstaatlichkeit konsequent durchzusetzen? Wer bedarf verbohrter Interpreten der Fronten in Palästina, wer will deren Profiteure wie BDS oder Samidoun auf seinen Straßen? Wer braucht das? Na WIR! Wir saugen schließlich alles auf. Weil wir so entsetzlich weltoffen sein müssen. Beflissen bis zur Selbstaufgabe – zumindest, bis das deutsche Fass wieder mal überläuft. Einstweilen sind wir vor allem eins: gnadenlos tolerant und aufgeschlossen – selbst gegenüber Hardcore-Rassisten aus Parallelgesellschaften.
Alles, was bei parlamentarischen Sondersitzungen, meist aus traurigem Anlass, zum Thema Verbot oder Betätigungsverbot regelmäßig und erwartbar kommt, sind Absichtserklärungen: „Wir müssen“, „wir wollen“, „wir werden“. Wohlfeile Solidaritätsadressen an die Leidtragenden, triefende Betroffenheit – fraktionsübergreifend. Zwei, drei Stunden schlechtes Emotionstheater, bevor das Glöckchen zum parlamentarischen Alltag drängt. Nur nichts über’s Knie brechen. Mit Augenmaß an das Problem herangehen. Könnten solche Verbote doch leicht als „Religionsrassismus“ oder „antimuslimische Ressentiments“ ausgelegt werden. In diese Ecke gehört niemand gerne. Man ist dieser unreflektierten Appeasements und folgenlosen Sprechblasen so überdrüssig.